Sonntag, 25. März 2012

Es tut gut, Gutes zu tun



Mit Limo zu mehr Mitgefühl

Die Niederländerin Margriet Sitskoorn über Gelüste in der Hirnforschung

Aus den Niederlanden kommen neue Ansätze über das
menschliche Verhalten. Die Professorin für klinische
Neuropsychologie an der Universität Tilburg
Margriet Sitskoorn beschreibt am Beispiel religiöser
Todsünden die Funktionsweise des Gehirns. Damit entlässt
sie zwar niemanden an seiner "Schuld" an destruktiven
Verhaltensweisen wie Neid, Wut, Gefräßigkeit, Stolz,
Habsucht, Lust und Trägheit, aber sie sorgt für mehr
Verständnis. Für sich und für andere. Obwohl sich die
Autorin auf zahlreiche Studien und Krankheitsfälle stützt,
bezeichnet sie das leicht verständlich verfasste Buch
als populärwissenschaftlich. Warum essen wir mehr, als
uns guttut? Warum sind wir schadenfroh? Warum sabotieren
wir unsere Gesundheit entgegen besseren Wissens? Das
hängt mit den Zentren im Gehirn zusammen, die für
Belohnung und Schmerz zuständig sind. Neid ist ein zutiefst
destruktives Gefühl. Einem anderen etwas nicht zu gönnen,
zieht häufig Schadenfreude nach sich oder gipfelt darin,
dem Beneideten sogar zu schaden. Das eigene Selbstwertgefühl
wird dadurch erschüttert, dass ein anderer mehr besitzt oder
schöner ist. Der Neider ist überzeugt davon, dass er dieses
Niveau niemals erreichen wird. Wieso ist die Supermodel und
ich nicht? Am neidischsten sind Menschen auf andere, die ein
ähnliches Alter oder eine ähnliche Ausbildung haben. Im
Gehirn geht Neid mit einem Gefühl des Schmerzes einher.
Schadensfreude lindert dieses. Margriet Sitskoorn löst den
Teufelskreis, indem sie zu mehr Bewunderung rät und dazu,
sich selbst mehr wertzuschätzen. Es sei doch wesentlich besser,
sich von Erfolgreichen inspirieren zu lassen und die Energie
dorthin auf ein eigenes Ziel zu lenken. Wut tut ebenfalls nicht
gut. Dennoch meinen viele, sie müssten wütend bei Enttäuschungen
oder Ungerechtigkeiten sein. Es gibt keinen neutralen Messwert
für das Auslösen von Wut. Wo der eine sofort ausrastet, bleibt
ein anderer cool. Bei Wut sieht niemand mehr klar. Der Schlaf
wird gestört, der Wütende verbeißt sich in seinen blinden Zorn.
Die Wut ist zwar gemäß der Autorin genetisch bedingt, kann aber
durchaus bewusst kontrolliert werden. Die Forschung hierzu steckt
noch in den Anfängen. Nicht ganz ernst zu nehmen, ist der Hinweis,
dass Botox im Gesicht auch die Wut zähmen soll.
Manche Menschen sind sozial engagiert, andere nicht. Eine Studie
von Gerben van Kleef und Kollegen von der Universität Amsterdam
ergab, dass Probanden mit größerer sozialer Macht sich weniger
für andere einsetzen. Diese Menschen können sich zudem schlechter
in andere hineinversetzen. Sie sind weniger empathisch. Die
Autorin schließt daraus: "Hier zeig sich, dass Macht offenbar
einen negativen Einfluss ausübt und unser Gehirn auf eine Weise
verändert, die uns für das Leid unserer Mitmenschen weniger gut
nachempfinden lässt." Limonade könnte die triviale Lösung sein.
Nathan DeWall und Kollegen stellten fest, dass Personen, die
vor einer Aufgabe ein glukosehaltiges Getränk zu sich nahmen,
hilfsbereiter waren. "Eine extra Portion Zucker kann dieser
erhöhten sozialen Trägheit kurzfristig entgegenwirken und die
Lust zu helfen steigern", schreibt Margriet Sitskoorn. Doch dies
sind Krücken, denn der Mensch ist ein intelligentes Wesen und
kann denken und sich verändern. Die Autorin betont, dass auch
das Spenden von Geld oder Zeit, das Gefühl für die Zusammengehörigkeit
zu einer Gruppe und prosoziales Handeln das Belohnungszentrum
im Gehirn aktivieren. Mit einem Sozialverhalten wirkt der Einzelne
auf sein Gehirn und die Hirne anderer ein. Mit gutem Beispiel
voran gehen, ist die Devise der Professorin. Mit dem Fazit: "Jeder,
der aufhört, sich für das Gute einzusetzen, spielt doch nur denen
in die Hände, die Schlechtes im Sinn haben", appelliert sie für
ethisches Handeln. Ein streitbares Buch fernab wissenschaftlicher
überheblichkeit für mehr soziales Engagement und mehr Miteinander
als Gegeneinander.
(c) Corinna S. Heyn



Margriet Sitskoorn,
Du willst es doch auch.
Warum uns das Gehirn sündigen lässt.
Lübbe Verlag 2012.
www.luebbe.de